Auf den Spuren… 2017 nach Pulheim-Brauweiler

 

Exkur­si­on am Sams­tag, den 7. Okto­ber 2017 zur
Abtei Brau­wei­ler und zur „Gedenk­stät­te“

Zwan­zig Meter über der Mit­tel­ter­ras­se in der Rhei­ni­schen Bucht grüßt der roma­ni­sche Monu­men­tal­bau St. Niko­laus und St. Medardus in Brau­wei­ler. Hof­gut der Pfalz­gra­fen von Loth­rin­gen ist schon vor der Klos­ter­grün­dung die­ser beson­de­re Platz.

Vor 1000 Jah­ren begeg­nen wir hier Ezzo-Ehren­frie­d‑, Pfalz­graf von Loth­rin­gen, sei­ner Gemah­lin Mat­hil­da, deren Kin­dern Richez­za, spä­ter Köni­gin von Polen und Her­mann II, spä­ter Erz­bi­schof von Köln und Kanz­ler des Kai­sers sowie dem Reform­abt Pop­po von Sta­blo (Stavelot)-Malmedy und St. Maxi­min in Trier.

Am 7. Okto­ber 2017 kommt der Ver­ein His­to­ri­sches Weve­ling­ho­ven auf sei­ner Exkur­si­on „Auf den Spu­ren…“ auch hier­her. Eigent­lich eine Halb­ta­ges­fahrt, ver­dich­ten sich die Füh­run­gen durch Abtei und Kir­che sowie durch die Gedenk­stät­te letzt­lich zu einer Fül­le von Ein­drü­cken und Infor­ma­tio­nen, so dass die abschlie­ßen­de Ein­kehr auf dem Mil­li­ans­hof in Rheidt an der B 477 zu einer hoch­will­kom­me­nen Ver­schnauf­pau­se wird.

Zur Erin­ne­rung hier noch ein­mal im Schnelldurchgang:

Pfalz­graf Ezzo bringt das Hof­gut Brau­wei­ler 991 bei der Hoch­zeit mit Mat­hil­da, Toch­ter von Kai­ser Otto II und der Byzan­ti­nerin Theo­pha­nu, sei­ner Frau als „Mor­gen­ga­be“.

Zur Aus­stat­tung eines fürst­li­chen Hau­ses gehört damals der Voll­zug einer geist­li­chen Stif­tung. Dem fol­gend grün­det das Ehe­paar 1024 die Abtei Brau­wei­ler. Die Betei­li­gung des berühm­ten Reform­ab­tes Pop­po von Sta­blo-Mal­me­dy soll­te ein nach der von Clu­ny in Bur­gund aus­ge­gan­ge­nen Klos­ter­re­form mus­ter­gül­ti­ges Klos­ter­le­ben gewährleisten.

Aller­dings darf man anneh­men, dass die Wahl des Klos­ter­stand­or­tes wohl auch stra­te­gi­sche Bedeu­tung als Abgren­zung zum Herr­schafts­be­reich der Erz­bi­schö­fe von Köln hat­te. Zwar ist man mit die­sen ‑sie­he Her­mann II- auch schon mal ver­wandt, aber der Erz­bi­schof ist auch Lan­des­herr in sei­nem Gebiet mit bekannt­lich fort­dau­ern­den Expan­si­ons­ge­lüs­ten und somit muss der Pfalz­graf von Loth­rin­gen auch sei­ne Rol­le als Lan­des­herr in Sicht­wei­te von Köln in sei­ne Ent­schei­dun­gen einbringen.

Das, fin­de ich, illus­triert fol­gen­de Geschich­te ganz gut:

Köni­gin Richez­za kommt 1036 nach dem Tod ihres Gat­ten, des pol­ni­schen Königs Miez­ko II in ihre Hei­mat zurück. Sie gelobt nach dem Tod ihres Bru­ders, Her­zog Otto von Schwa­ben, 1047 den Bau einer neu­en und präch­ti­gen Klos­ter­kir­che als Grab­kir­che für ihre Fami­lie und für sich selbst. Dem Klos­ter über­schreibt sie zur wirt­schaft­li­chen Nut­zung das Reichs­gut Klot­ten an der Mosel.

Die Kryp­ta, bau­gleich mit der von St. Maria im Kapi­tol in Köln, wird 1051 von Bischof Robert von Müns­ter kon­se­kriert, die­ser tut dies in Ver­tre­tung von Richez­zas Bru­der Erz­bi­schof Her­mann II von Köln.

1061 kon­se­kriert Erz­bi­schof Anno II von Köln gemein­sam mit Bischof Egil­bert von Min­den offen­sicht­lich Tei­le der Ober­kir­che im Bei­sein der Stif­te­rin. Richez­za stirbt 1063 in Saal­feld. Ent­ge­gen ihrem ver­brief­ten Wunsch wird Richez­za auf Geheiß Erz­bi­schof Anno II nicht in Brau­wei­ler son­dern in sei­ner eige­nen Stif­tung St. Maria ad Gra­dus in Köln beigesetzt.

Die Ein­nah­men aus dem Reichs­gut Klot­ten ste­hen nach Mei­nung des Erz­bi­schofs somit nicht mehr Brau­wei­ler son­dern sei­ner Stif­tung zu. Erst nach lang­jäh­ri­gem Rechts­streit kann Abt Wolf­helm das Mosel­gut Klot­ten zurück­ho­len. Richez­za ruht heu­te im Köl­ner Dom.

Fast 800 Jah­re lang ist die Abtei Brau­wei­ler ein bedeut­sa­mer Ort geis­ti­gen Schaf­fens aber auch des Ord­nens, Kul­ti­vie­rens und Bewirt­schaf­tens eines ansehn­li­chen Gebie­tes sowie zeit­wei­se umfang­rei­chen Besit­zes anderenorts.

Eine beson­de­re Über­ra­schung erle­ben wir im nörd­li­chen Sei­ten­schiff der ehe­ma­li­gen Abtei­kir­che St. Niko­laus. In einem vom Dans­wei­ler Künst­ler Franz Pau­li ent­wor­fe­nen Fens­ter mit der alt­tes­ta­men­ta­ri­schen Geschich­te von „Dani­el in der Löwen­gru­be“ trägt Dani­el unver­kenn­bar die Gesichts­zü­ge von Kon­rad Ade­nau­er und in dem Fens­ter­bo­gen über ihm ist Adolf Hit­ler zu erken­nen, an der Stel­le, an der man gemäß Bibel den König Dari­us erwar­ten würde.

Zwei Mona­te lang – von Sep­tem­ber bis Novem­ber 1944 – waren Kölns frü­he­rer Ober­bür­ger­meis­ter und sei­ne Frau Augus­te-Gus­sie-Ade­nau­er in dem dama­li­gen Gefäng­nis der Gehei­men Staats­po­li­zei (Gesta­po) inhaftiert.

Gemein­sam mit Jakob Dah­men, einem ehe­ma­li­gen Wär­ter der Arbeits­an­stalt Brau­wei­ler, stif­te­te Ade­nau­er die­se Fens­ter nach dem Ent­wurf von Franz Pau­li Anfang der sech­zi­ger Jah­re. Ein letz­ter Ein­druck von Abtei und Kir­che in einem Kir­chen­fens­ter ver­bin­det mit dem nun fol­gen­den Besuch der

 

GEDENKSTÄTTE BRAUWEILER

Im Zuge der fran­zö­si­schen Beset­zung erfolg­te 1802 mit der Säku­la­ri­sie­rung die Auf­he­bung des Klos­ters Brau­wei­ler. Die Abtei­kir­che kann vor dem Abbruch geret­tet wer­den und wird katho­li­sche Pfarr­kir­che. Die Abtei­ge­bäu­de wer­den nach einem napo­leo­ni­schen Gesetz ab 1811 als „Bett­ler­de­pot“ und ab 1815 durch die preu­ßi­sche Regie­rung als Arbeits­an­stalt genutzt.

1920 wer­den „Bewah­rungs­haus“ und „Zel­len­ge­bäu­de“ an die Köl­ner Jus­tiz­ver­wal­tung ver­mie­tet, 1933 die­nen die Gebäu­de 12 Mona­te als Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger, spä­ter als Gefäng­nis der Köl­ner Gesta­po. Die­se letzt­ge­nann­te Zeit ist doku­men­tiert in der Gedenk­stät­te Brauweiler.

Her­mann Daners und Josef Wiß­kir­chen haben Doku­men­te dazu zusam­men­ge­tra­gen und infor­mie­ren neben schrift­li­chen Ver­öf­fent­li­chun­gen in einer 2008 eröff­ne­ten Dau­er­aus­stel­lung über Gescheh­nis­se von 1933–1945. Der Aus­stel­lungs­ort im Kel­ler­ge­schoß des soge­nann­ten „Frau­en­hau­ses“ der ehe­ma­li­gen Arbeits­an­stalt Brau­wei­ler ist nun eine Gedenk­stät­te. Zwei Zel­len­räu­me sind weit­ge­hend im Ori­gi­nal­zu­stand erhal­ten und bil­den heu­te den Kern der Ausstellung.

Wir erle­ben einen span­nen­den und bedrü­cken­den Rück­blick in die jün­ge­re Geschich­te unse­rer Hei­mat mit Josef Wiß­kir­chen, eini­gen noch bekannt als Stu­di­en­di­rek­tor unse­res Eras­mus-Gym­na­si­ums. Er geht auch auf das Schick­sal der Fami­lie Bal­zer aus Köln ein.

Eine Kar­tei­kar­te von Bal­zer, Maria, geb Beh­rens, geb. 13.11.1899 in Weve­ling­ho­ven hat­te übri­gens auch dazu geführt, Brau­wei­ler unter unse­rem bis­he­ri­gen Excur­si­ons­mot­to „Auf den Spu­ren…“ zu besuchen.

Maria Beh­rens war ver­hei­ra­tet mit dem ange­se­he­nen Lebens­mit­tel­händ­ler Hans Bal­zer aus Ehren­feld. Deren Sohn Hans Josef Bal­zer, geb. 29.01.1928, war bereits als Jugend­li­cher straf­fäl­lig gewor­den und wur­de am 8.Oktober 1944 von der Gesta­po auf der Flucht erschos­sen. Am sel­ben Tag nahm die Gesta­po die Eltern Josef und Maria Bal­zer und die zwan­zig­jäh­ri­ge Toch­ter in Haft, der vier­jäh­ri­ge Sohn kam ins Köln-Sül­zer Waisenhaus.

Josef Bal­zer starb nach dem 11. Dezem­ber 1944 wegen einer unbe­han­del­ten Wund­ro­se im Augus­ta-Hos­pi­tal in Köln Sülz. Anfang Febru­ar 1945 soll­ten Maria Bal­zer und ihre Toch­ter in ein Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger ein­ge­wie­sen wer­den. Dazu kam es nicht mehr, am 15. Febru­ar 1945 ver­ließ die Gesta­po Brau­wei­ler, so kamen Mut­ter und Toch­ter frei.

Auf der Web­sei­te der Abtei Brau­wei­ler gelangt man zu umfang­rei­chen Infor­ma­tio­nen und zu einem von Daners und Wiß­kir­chen erar­bei­te­ten „Gedenk­buch“, in wel­chem auch den Ein­zel­schick­sa­len nach­ge­gan­gen wird.

1945–1949 befin­det sich in der Abtei ein offe­nes Lager der bri­ti­schen Armee, 1954 wird die Abtei im Land­schafts­ver­band Rhein­land (LVR) in die kom­mu­na­le Ver­wal­tung über­nom­men und zwi­schen 1954 und 1978 wer­den hier psy­chisch kran­ke, alko­hol- und dro­gen­ab­hän­gi­ge Men­schen behandelt.

Der Name der bekann­ten Abtei ver­liert sich durch die Fol­ge­nut­zun­gen letzt­lich nega­tiv besetzt fast im Irrea­len. Wil­ly Mil­lo­witschs Emp­feh­lung „Ab nach Brau­wei­ler“ sorgt im Lust­spiel „Der Etap­pen­ha­se“ beim Publi­kum der 60er Jah­re noch für aus­ge­las­se­nes Geläch­ter. Heu­te wird die Nut­zung durch den Land­schafts­ver­band Rhein­land der his­to­ri­schen und aktu­el­len Bedeu­tung des Ortes gerecht.

Text: Theo Hoer

 

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