L’ARDENTE und 374 STUFEN
Wenn man so will, war es ein gezielter Seitensprung, der neben den Spuren der Wevelinghovener in Alden Biesen anschließend in die alte und beileibe nicht nur wegen Kommissar Maigret weltbekannte Stadt an der Maas führte.
„Luik“ steht auf den Hinweisschildern im flämischen Teil des Landes, „Liège“ heißt es schon ein paar Kilometer weiter, von Aachen aus fährt man Richtung Westen nach „Lüttich“
Das sagt schon viel über die Stadt und die Region, in der französisch, niederländisch = flämisch und deutsch im Dreieck Lüttich-Maastricht-Aachen Muttersprachen und Amtssprachen sind.
Das riesige Stahlwerk Coquerill — Sambre ist der Paukenschlag im Maastal zum Eintritt in die Stadt der Hochöfen, Stahlwerke und Schmieden- besser gesagt, war der Paukenschlag.
Heute sind die Feuer weniger geworden, fast erloschen.
L’ardente — die Brennende nennt sich Lüttich und die Öfen und Schmiedefeuer könnten für diesen Namen stehen.
Tatsächlich gibt es einen dramatischeren Grund für diesen Beinamen der Stadt. Gegen Karl den Kühnen hatten sich Bürger der Stadt mutig gestellt und seine Absichten mit Nachdruck abgelehnt. Zur Strafe ließ er die Stadt vollständig niederbrennen, daran erinnert „l’ardente“.
Ein Reliquiar aus fünf Kilogramm Gold schenkte er später der Stadt als Sühne für die Verwüstung. In der Schatzkammer der Kathedrale St. Paul ist es neben dem Reliquienschrein des Heiligen Lambertus zu bewundern.
Im Jahr 384 verlegte der Heilige Servatius den spätrömischen Bischofssitz von Tongeren nach Maastricht. 705 wird der Maastrichter Bischof Lambertus in Lüttich ermordet. Sein Nachfolger, der (Heilige) Hubertus verlegte 718 den Bischofssitz von Maastricht nach Lüttich.
980 erhält das Bistum durch Kaiser Otto II die Landesherrschaft und bleibt nun 800 Jahre bis 1789 ein mit dem Reich verbundenes Fürstbistum. Hier ist fürwahr eine Verdichtung der Geschichte des „christlichen Abendlandes“ zu erkunden.
Und dies spürend gehen wir durch die Zeugnisse der Zeit in einer lebendigen und von Asche und Ruß befreiten aufblühenden Stadt.
Am Quai Maestricht darf ein Blick in das Maison Curtius nicht fehlen, herrschaftlicher Sitz eines zu großem Wohlstand gekommenen Waffenhändlers, erbaut um 1600. Heute ist das prächtige Renaissancegebäude gut besuchter Ausstellungsort und bedeutendes Museum.
Von der Maas aus durch das Maison Curtius über die alte Hauptstrasse Feronstree erreicht man unmittelbar die ausgezeichnet restaurierte romanische Kirche St. Barthelemy. Allein das in einem Stück aus Messing gegossene Taufbecken aus dem 12. Jahrhundert ist die Reise, zumindest den Besuch der Kirche wert.
Unermüdlich zieht Theo Hoer die Gruppe über die kleine Rue des Brasseurs –Brauerstrasse- und den städtebaulich bemerkenswert hergerichteten Innenhoft Cour St. Antoine zur Rue Hors Chateau-Strasse zum Schloss-. Das weiß-blaue Wappen von Fürstbischof Maximilian Heinrich von Bayern (1650–1688) ziert die rote Barockfassade von St.Gerard und den aus 1667 stammenden Brunnen „Johannes der Täufer“ nennt der Volksmund ‑vielleicht wegen seines besonderen Plätscherns „Pisserole“. Überraschung von rechts, am Kloster der Ursulinen gehen mit einer Steigung von 40 Prozent immerhin 374 breite Stufen hoch hinauf zum Fort.
Buerentreppe heißt die Sensation in Erinnerung an Capitaine Vincent de Bueren, im Kampf gegen den Burgunderherzog Karl den Kühnen tapfer und vorbildlich.
Die nach Hauptmann de Bueren benannte Treppe wurde lange nach ihm gebaut und sollte die Soldaten nach dem Freigang in die Stadt von einem langen Weg über die Serpentinen der Fahrstraße zum Fort abhalten. An eben dieser Straße hatten sich nämlich alle möglichen Wirtshäuser und Etablissements niedergelassen und man darf annehmen, dass es dadurch mit der Einhaltung des Zapfenstreiches auf dem Fort nicht unerhebliche Probleme gab.
Am Wallonischen Museum für Volkskunde im ehemaligen Minoritenkloster in die Rue de Mineurs abbiegend steht man schon mit Blick auf das „La Violette“ genannte Rathaus inmitten des Place du Marche am Brunnenbau Perron, dem Lütticher Wahrzeichen und Treffpunkt.
Einmal leicht umgedreht und, fast über dem Territorium der Menschen thronend, bestimmt der Fürstbischöfliche Palais den Raum zwischen Himmel und Erde. Vor 1000 Jahren schon stand hier das erste Palais, unter Fürstbischof Eberhard de la Marck wurde 1526 das heutige fertig gestellt.
Kaiser Heinrich IV, der mit Canossa, war 1071 hier, 1075 fand ein Konzil mit Bernhard von Clairvaux statt, europäische Geschichte ist allzeit vorhanden.
Fast sprachlos macht ein Blick in den säulengerahmten Innenhof, das Fürstenpalais ist heute Sitz der Provinzialverwaltung.
Moderne Architektur im Umfeld überzeugt durch Gegensatz und Spannung und zugleich im Dialog mit dem mächtigen Renaissancemonument.
Perspektiven hoch über Straßen und Palais und gleich daneben ein Stück altes Lüttich am Cloitre St.Croix beeindrucken.
Die Rue Haute Souveriere führt vorbei am Place Verte zum Place de’l Opera, langsam braucht man eine Pause, rafft sich doch noch einmal auf, um durch die belebte Rue des Dominicaines zur Kathedrale St. Paul zu gelangen und hier beim Reliquiar des Heiligen Lambertus das Kapitel lange Geschichte und alte Steine und alte Wevelinghovener zu schließen.
Ein Cafe Liegoise am Place de la Republique Francaise mit Blick auf Palais und Perron bleibt in Erinnerung.
Aix la Capelle steht nun auf den Hinweisschildern, von Alden Biesen aus stand Aken drauf und in Höhe Eupen ist klar, an Aachen kommt der aus Lüttich, Luik, Liege heimreisende Wevelinghovener immer vorbei.
HTH